Rekonstruktion der Tauchausrüstung von Joseph Schultes

Diskussionen und Berichte zu historischen Nachbauten und deren Erprobung

Re: Rekonstruktion der Tauchausrüstung von Joseph Schultes

Beitragvon Franz » So 6. Okt 2019, 10:30

Hallo Zusammen!

Hier eine erste Skizze. . . .

img663#.jpg


Nach Schultes sind die folgenden Details:
- Kupferhelm mit zwei Fenstern in Augenhöhe
- Luftablaß oben
- Lufteinlaß vorn seitlich
- Schlauch- oder Rohrverbindung zwischen dem Helm und den Windbüchsenkugeln
- 6 oder 12 Kugeln
- Druckknopfventile
- lederner Überzieher
- angehangene Gewichte

Fourcroy könnte die Vorgaben von Schultes so umgesetzt haben:

Luftkugeln
Es macht wenig Sinn, sie einzeln mit dem Helm zu verbinden. Deshalb der Rohrring in Brusthöhe, welcher als Verteiler dient. Hier sind 12 Kugeln im Einsatz, je zwei davon miteinander verbunden. Die hinteren vier Kugeln sind verdeckt. Über jedem Kugelpaar sitzt ein Ventil, durch das die Luft über den Rohring zum Helm gelassen wird. Alle Ventile sind gut zu erreichen.

Gewichte
Am Rohrring hängen zwei Bleigewichte, eines vorn mittig, das zweite hinten. Der Taucher trug eventuel Bleisandalen. Solche waren damals bereits bekannt.

Lederner Überzieher
An den Handgelenken wird er wasserdicht eingebunden, in Bauchhöhe ebenfalls. Fourcroy könnte aber auch einen Anzug mit Kauschen verwendet haben, wie sie damals bei Glockentauchern üblich waren. Der innere Kragen geht hoch bis zur Nase des Tauchers, damit beim Fluten kein Wasser in den Anzug läuft.

Wie oben erwähnt: Fourcroy könnte das so verwirklicht haben. Es sind darüber keinerlei Dokumente oder sonstige Beweise bekannt. Die erdachten Lösungen ergeben sich aus den Vorgaben von Schultess sowie technischen- und tauchphysikalischen Überlegungen.

Gruß,
Franz
Zuletzt geändert von Franz am Di 15. Okt 2019, 12:39, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Rekonstruktion der Tauchausrüstung von Joseph Schultes

Beitragvon Franz » Mi 9. Okt 2019, 08:45

Hallo Zusammen,

von Nigel Philipps habe ich Auskunft über die ersten Belege zu Bleisandalen bekommen:

In dem Buch von Vegetius, das mit Bildern aus mittelalterlichen Manuskripten illustriert ist, werden wahrscheinlich gewichtete Schuhe gezeigt (wir können nicht sicher sein, weil es keinen Text gibt). Eine Illustration findet sich im Rüst- und Feuerwerksbuch von c. 1500 in Frankfurt.
Bleischuhe werden in einem niederländischen Patent von 1660 erwähnt, und in England beschreibt der historische Schriftsteller Narcissus Luttrell Meinhard Schombergs Kleid von 1692 mit Bleischuhen. Halley versorgte seine Taucher auch mit Bleischuhen.

In the book by Vegetius, which is illustrated with pictures from medieval manuscripts, weighted shoes are probably shown (we cannot be sure because there is no text). An illustration is in the Rüst- und Feuerwerksbuch of c. 1500 in Frankfurt.

Lead shoes are mentioned in a Dutch patent of 1660, and in England the historical writer Narcissus Luttrell describes Meinhard Schomberg’s dress of 1692 as having lead shoes. Halley provided his divers with lead shoes, too.


Danke Nigel,

Gruß,
Franz
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Re: Rekonstruktion der Tauchausrüstung von Joseph Schultes

Beitragvon oxydiver » Di 15. Okt 2019, 05:40

Hallo Franz,

ja, so wie auf Deiner Skizze könnte das Tauchgerät von Schultes ausgesehen haben. Was würde sich ergeben wenn man es Testen würde? Wiederum einige theoretische Überlegungen....

Bleigewichte

Der Luftgürtel würde vermutlich versuchen zu kippen, man müsste den Ballast auch unten an den Kugeln anbringen.

Lederjacke

kann man diese Jacke wirklich am Bauch wasserdicht abbinden und der Taucher kann noch atmen? Wenn überhaupt ein Lederanzug wird er wohl eher einen mechanischen Schutz geboten haben. An Wasserdichtigkeit glaube ich eher nicht.

Luftversorgung Zuluft

Hier sehe ich das größte und damit entscheidende Problem, dazu auch meine Ausführungen weiter vorn. Grundsätzlich wird der Rohrgürtel funktionieren. Um den Luftvorrat zu kontrollieren (das wollte ja Schultes) würde ich die Kugeln mit normalen Ventilen ansperrbar machen. Die eigentliche Zuluftversorgung dann über ein zentrales Tastventil, das ist leichter zu handeln. Damit der Taucher sich nicht dauernd mit seiner eigenen Luftversorgung beschäftigen muss halte ich mittlerweile Schultes der Uhrwerkvorschlag gar nicht so schlecht. Da würde impulsartig Luft eigeschossen werden.

Vermutlich hätte man aber nach kurzer Zeit festgestellt das ein einfaches Nadelventil mit einstellbaren Konstantflow viel einfacher und praktikabler wäre!

Luftversorgung Abluft

An Deiner Skizze sieht man schon das des Tauchers Arm wahrscheinlich zu kurz ist um nach oben an den Helm zu kommen. Man hätte auch gemerkt das das völlig unpraktikabel ist und das die Luft an der Helmunterkante von alleine entweicht, einen offenen Helm vorausgesetzt

Tastventile

Wie könnte man damals die Tastventile realisieren? Für das Tastventil gibt es ja 1000 Varianten. Man muss es nur auf die damaligen Stand der Technik der adaptieren. Echtes Tasten ist benötigt ja immer eine leichtgängige Stopfbuchse oder Ledermembran. Ein drehbares Nadelventil mit relativ steilem Gewinde und Federrückholung würde es auch tun….

Anbei mal die noch nicht 100%igen Ideen.

ventile Schultes_web.jpg



Uhrwerk

Ein gekapseltes Uhrwerk treibt eine Nockenscheibe und Tastet so das zentrale Zuluftventil, wenn es nicht mehr zischt kann der Taucher eine Kugel nach der anderen öffnen und hat so die Kontrolle über den Luftvorrat.

uhrwerkventil Schultes_web.jpg



Das sind meine Spekulationen

Gruß Micha (MM)
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Re: Rekonstruktion der Tauchausrüstung von Joseph Schultes

Beitragvon Franz » So 20. Okt 2019, 09:36

Hallo Micha,

ich spekuliere mal weiter.

Gewichte
Zwischen den zusammengeschraubten Luftkugeln könnten ringförmige Bleigewichte sitzen. So läge der Schwerpunkt etwas tiefer.

Luftzufuhr
Ein einfacher Federwerkantrieb würde den Zweck erfüllen.

Es gibt jedoch zwei Probleme:

- Mit abnehmendem Druck kommt immer weniger Frischluft in den Helm. Dem könnte man mit konstant breiter werdenden Nocken gegensteuern. D.h. bei vollem Druck nur ein kurzer, bei niedrigem Druck ein längerer Luftstoß. Sind zwei Kugeln leer, wird deren Ventil geschlossen und die nächste Doppelkugel geöffnet. Zur gleichen Zeit sollte die Nockenscheibe wieder in Anfangsstellung stehen. Ich muß noch darüber nachdenken, wie das zu bewerkstelligen wäre. Ganz ohne Zugriff auf die Mechanik von außen wahrscheinlich nicht.

- Mit zunehmender Tauchtiefe muß ebenfalls länger Luft in den Helm einströmen um den Druck auszugleichen. Gerade in geringen Tauchtiefen ist der relative Druckunterschied am größten. Der Wasserdruck muß irgendwie auf die Mechanik einwirken, das geht jetzt für den damaligen Stand der Tauchtechnik sicher zu weit.

Eine Kombination der Nockenscheibe mit einen manuellen Ventil ala Le Prieur, könnte die Lösung sein. Was die Nockensteuerung nicht liefert, wird manuel hinzugegeben. So wäre der Taucher wenigsten teilweise von der Atemluftsteuerung entlastet.

Es reizt mich die Federwerkssteuerung ala Schultes zu Ende zu denken, auch wenn das alles reine Spekulation ist.

Abluft
Der unten offene Helm ist die sicherste Lösung. Lassen wir das abenteuerliche Firstventil zu. . . Ich kann mir gut vorstellen, daß Fourcroy nach einem ersten Tauchgang in der Seine das Ventil als Teufelszeug demontiert hat.

Gruß,
Franz
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Re: Rekonstruktion der Tauchausrüstung von Joseph Schultes

Beitragvon oxydiver » Do 24. Okt 2019, 06:20

Hallo Franz,

so interessant die druckkompensierte Uhrwerkskonstruktion ist glaube ich das wäre viel zu kompliziert. Ein einstellbares Konstantflowventil (mit max Begrenzung) ist wohl das einfachste. Dann könnter Taucher sich bei Bedarf selbst mehr Luft geben.

Oder eine Düse mit Bypassventil wie beim Kreislaufgerät. Theoretisch ist das mit den Düsen ja so: Wenn der Druck vor der Düse hoch genug ist fließt die Luft im Ultraschallbereich "Sonic Flow", die abgegebene Luftmenge (x l/min) bleibt dabei immer gleich. Praktisch sagt man es muss der doppelte Umgebungsdruck anstehen, bei max. 10m Tauchtiefe also 2 bar, ehe der Flow sinkt. Damit könnte man die Behälter kontrolliert schön leer machen.

Diese Erkenntnisse waren aber damals vermutlich nicht bekannt und die Luftmenge ist eben sehr begrenzt. Es geht ja um den Nachweis der Funktion des Schultes Gerätes und das hätte wohl nicht funktioniert. Vermutlich ist einzig die Idee eine autonome Pressluftversorgung zu verwenden das Wichtige.

Gruß Micha
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Re: Rekonstruktion der Tauchausrüstung von Joseph Schultes

Beitragvon Franz » So 17. Nov 2019, 11:11

Micha,

hier die nächste Skizze:

img675f#.jpg

Oben am Helmfirst ist der Luftablaß verschlossen. Die Luft entweicht über die untere Helmkante.
Zwischen den Luftkugeln sind Bleiringe montiert. Hier grau eingefärbt. Links ist ein Bleiring im Schnitt schraffiert dargestellt.
Dann ist da noch ein Gehäuse zur Aufnahme eines Federwerkantriebs oder einer Düse zur Steuerung der Luftzufuhr. Vorn auf dem Gehäuse sitzt ein Knauf um die Mechank zu steuern.

Gruß,
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Re: Rekonstruktion der Tauchausrüstung von Joseph Schultes

Beitragvon oxydiver » Mi 20. Nov 2019, 20:04

Hallo Franz,

super, so hätte möglicherweise der "Schultes " Taucher ausgesehen. Aber "nichts genaues weiß man nicht", leider. Schöne Zeichnung, erinnert mich sofort wieder an "Unsere Digedags" :-), :-)!

Gruß Micha
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